Baby- und Kinderschlaf
Martina Wolf, Kinderpraxis am Augarten
Vortrag

In diesem Vortrag wird der Schlaf von Babys und kleinen Kindern aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet, um einerseits ein besseres Verständnis über Baby- und Kinderschlaf zu entwickeln, aber auch, um mögliche Ursachen für unruhigen Babyschlaf zu klären und Lösungsmöglichkeiten, die den Schlaf und gleichzeitig Nähe und Verbundenheit in der Familie fördern, vorzustellen. Martina Wolf erklärt Wissenswertes und Hilfreiches über das kindliche Schlafbedürfnis, was „Durchschlafen“ eigentlich bedeutet, welche Rolle die Erwartungen der Eltern dabei haben, wann von „Ein- und Durchschlafschwierigkeiten“ die Rede ist, warum ein kritischer Blick auf Schlaftrainings und verschiedene Ratgeber wichtig ist und was Kindern und Eltern hilft, zur Ruhe zu finden.

Martina Wolf

Martina Wolf ist Elternbildnerin, ökids Kinder- und Elternberaterin sowie BabyCare-Beraterin. Im Mai 2011 hat sie die „Kinderpraxis am Augarten“ – Praxisgemeinschaft für Entwicklungsbegleitung, Beratung und Therapie gegründet. Sie ist zudem Geschäftsführerin im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit (GAIMH).

Begriffe im Vortrag
Schlafbedürfnis & Schlafrhythmus
Beide Faktoren verändern sich mit dem Alter und sind zudem von Kind zu Kind unterschiedlich. Im Schnitt geht man bei einem Neugeborenen von einem Schlafbedürfnis zwischen 16 und 20 Stunden pro Tag aus. In einem Alter von vier Monaten schlafen Babys zwischen 9-12 Stunden und machen tagsüber zwei Nickerchen. In den ersten Lebensmonaten haben Kinder keinen Tag-Nacht-Rhythmus. Ihr Schlafverhalten richtet sich zumeist nach den Fütterungsphasen und den nächtlichen Schlafphasen der Bezugsperson. Mit etwa einem halben Jahr lernen Babys langsam, zwischen Helligkeit und Dunkelheit, Tag und Nacht, zu unterscheiden. Aber auch dann ist der Schlafrhythmus noch anfällig für Störungen, z.B. bei Wachstumsschüben, Zahnungsbeschwerden.
Kindliches Nervensystem
Das so genannte autonome Nervensystem spielt eine zentrale Rolle, wenn es um das Thema Schlaf geht. Es besteht aus zwei Teilen, dem Sympathikus und dem Parasympathikus – die natürliche Selbstregulation zwischen diesen beiden Systemen ist dafür verantwortlich, dass Babys schlafen. Der Sympathikus steigert beispielsweise die Herzfrequenz und die Muskelkraft, er erzeugt Spannung im Körper. Der Parasympathikus hingegen steht für Entspannung, er verlangsamt die Herzfrequenz und senkt den Blutdruck. Wenn Kinder permanent in einem Spannungszustand sind, nicht vom Sympathikus in den Parasympathikus wechseln können, dann gibt es keinen guten Schlaf.
Aktiver Schlaf / Passiver Schlaf:
In der Schlafforschung unterscheidet man zwischen aktivem Schlaf = REM Schlaf und passivem Schlaf = NON REM Schlaf. Der aktive Schlaf wird als Traumschlaf bezeichnet, der passive Schlaf als Tiefschlaf. Babys gehen nach dem Einschlafen immer zuerst in den REM Schlaf über, sie verbringen etwa 40-50% ihres Schlafes in dieser Phase. Nach etwa 30 Minuten sind sie in der Tiefschlafphase angelangt. Sowohl REM Schlaf als auch der Übergang zum Tiefschlaf sind sehr sensibel. Die Babys schlafen nicht so tief, sie schrecken leichter hoch, fühlen sich eher durch Geräusche gestört und wachen dadurch schneller wieder auf.
Durchschlafen
Selbst wenn man es glauben könnte, auch Erwachsene schlafen nicht durch. Der Schlaf entwickelt sich wellenartig in mehreren aufeinanderfolgenden Schlafzyklen, die beim Erwachsenen zwischen 90 und 120 Minuten andauern. Zwischendurch wacht man immer kurz auf, schläft jedoch sofort wieder ein, so dass das Aufwachen unbemerkt bleibt. Babys und Kleinkinder haben kürzere Schlafzyklen von etwa 30 bis 50 Minuten. Von Durchschlafen spricht man in diesem Alter, wenn sich mehrere dieser kurzen Zyklen miteinander verbinden und dadurch eine ununterbrochene Schlafphase im Ausmaß von 5 Stunden entsteht.
Co-Regulation
Während der Schwangerschaft passt sich das ungeborene Kind an den Schlaf-Wach-Rhythmus der Mutter an. Nach der Geburt müssen Babys ihre innere Uhr erst entwickeln. Die Schlafregulation hängt in erster Linie von der Gehirnentwicklung ab, wodurch sich der Schlaf des Babys im ersten Lebensjahr immer wieder ändert. Eine Rolle spielen aber auch die Eltern, sie fungieren als Co-Regulatoren. Sie können eine sichere und geborgene Atmosphäre sowie durch gewisse Rituale und Tagesabläufe eine Struktur schaffen, an die sich das Kind nach und nach gewöhnen kann. In den ersten sechs Monaten sind Babys maßgeblich von der Co-Regulation der Eltern abhängig.
Einschlafrituale
Ein mögliches Ritual zum Einschlafen ist das so genannte „Einschlafstillen“. Es befriedigt sowohl den Hunger des Babys als auch das Bedürfnis nach Nähe, Geborgenheit und Sicherheit. Auch kann es dazu führen, dass sich die Mutter entspannt. Einschlafrituale sind wichtig, sollten jedoch nicht übertrieben werden. Ein „zu viel“ verursacht wiederum einen Reizzustand beim Baby, das erschwert das Einschlafen. Relevant ist es, das Kind in den Schlaf zu begleiten, mögliche Spannungen seitens der Eltern oder des Babys abzubauen, um so eine ruhige und sichere Atmosphäre für das Einschlafen zu erschaffen. Körpernähe und Bindungsbereitschaft spielen eine große Rolle, da Babys im ersten Lebensjahr noch kein biologisches Programm zum Einschlafen besitzen.
Schlafprobleme
können entweder körperliche oder seelische Ursachen haben. Man unterscheidet physiologische Faktoren, z.B. wenn die Grundbedürfnisse nicht gestillt sind, und emotionale Faktoren (Spannungen vom Tag, Geburtsstress-Erfahrungen, Qualität der Bindungsbeziehung, Angst- und Stresserfahrungen der Eltern). Ein – und Durchschlafprobleme hängen mit überreizten Zuständen zusammen. Entweder entsteht die Reizüberflutung im Inneren oder sie wirkt von außen auf das Kind ein. Bei Bedarf sollten mögliche körperliche Ursachen beim Kinderarzt/der Kinderärztin abgeklärt werden.
Schlaftrainings
von Schlafprogrammen, wie man sie aus zahlreichen Ratgebern kennt, rät die Expertin ab. In der Regel werden hier nämlich die Signale des Kindes ignoriert. Das führt zu einem Abschwächen des Vertrauens zwischen Bezugsperson und Baby, in weiterer Folge leidet die Qualität der Bindung.